„Frau Salamon, ich glaube nicht, dass dieses Team wirklich leistungsstark ist.“ Der Bereichsleiter schüttelte resigniert den Kopf. „Ich kenne die einzelnen Mitarbeiter zwar nicht, aber schauen Sie: Wir haben einen erfahrenen Kopf und genügend Leute auf dieses Projekt gesetzt. Und doch kommen die einfach nicht auf Tempo.“
Also sah ich mir dieses „Team“ und seine Rahmenbedingungen etwas genauer an. Und fand ein typisches Beispiel dafür, wie Sie es schaffen, ein agiles Team in seiner Lieferfähigkeit zu drosseln.
Ein agiles Team allein daheim
Diese Gruppe von Mitarbeitern – ich nenne die mal so, weil die Voraussetzung dafür, dass sie ein Team bildeten, nicht gegeben waren – sollte eine Software entwickeln. Gesteuert wurde die Gruppe von einer Führungskraft, die aus früheren Jahren Erfahrung mit Software-Entwicklung hatte. Das Unternehmen setzte für dieses Projekt einen Scrum-ähnlichen Prozess auf.
Der sah so aus, dass die Führungskraft Storys bereitstellen und die Gruppe diese umsetzen sollte. Die Begleitung durch einen Scrum Master war nicht vorgesehen.
Nach wenigen Gesprächen wurde mir klar: Diese Führungskraft hatte weder das Ziel noch die Zeit, sich als Product Owner zu verstehen. Sie hatte tausend andere Aufgaben und gar keine Chance, sich auf diese Mitarbeiter zu konzentrieren. Für Rückfragen stand sie aus zeitlichen Gründen einfach nicht zur Verfügung. Also mussten sich die Mitarbeiter anders behelfen.
Ein agiles Team auf Abwegen
In ihrer Not besorgten sie sich das entsprechende Fachwissen von anderer Seite. Sie mussten also bereits sehr viel Zeit aufwenden, um fachlich zu erfassen, was sie überhaupt tun sollen. Denn die Führungskraft hatte in ihrer Zeitnot die Storys nicht überlegt vorbereitet, sondern schnell nebenbei irgendwie herunter geschrieben. Zusammenhänge fehlten, manchmal waren es eher Codier-Anweisungen, es gab keine Beschreibung, gegen die eine Fertigstellung geprüft werden konnte, … Ihre Haltung: ‚User Stories schreiben – so ein Quatsch. Das kostet mich viel zu viel Zeit und bringt nix.’
Erst sobald die Mitarbeiter die zeitfressende Vorbereitung geschafft hatten, hatten sie eine ungefähre Ahnung, was der Kunde gerne bekommen möchte. Aber es dauerte einfach lange. Und war trotz alledem zu unscharf.
Mit diesen Beobachtungen unter dem Arm kehrte ich zum Bereichsleiter zurück und schlug ihm einen kleinen, organisatorischen Handgriff vor.
Ein agiles Team wie die Feuerwehr
Dieser Handgriff bestand darin, einen Product Owner dazu zu holen, der in der Lage war, dem Team so viel Zeit zur Verfügung zu stellen wie es brauchte. Der für Rückfragen gut greifbar war und der das Team als Team verstand, indem er sich mit den Leuten beriet: Der Kunde braucht dies oder jenes – wie kriegen wir das hin?
Der Bereichsleiter wog daraufhin die Bedürfnisse der Organisation, die Führungskraft weiterhin ihre vielen anderen Aufgaben erledigen zu lassen, und die Bedürfnisse des Projektes gegeneinander ab – und entschied sich für den vorgeschlagenen Handgriff.
Ein halbes Jahr später sagte derselbe Bereichsleiter zu mir: „Das hätte ich diesem Team nicht zugetraut. Die gehen ja ab wie die Feuerwehr. Wow!“
Und welches Ihrer Teams könnte so viel mehr leisten als bisher?
Ihre Carolin Salamon