Wenn Führungskräfte sich zum Daily Standup treffen

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Verrückter Freitag: Wenn Führungskräfte sich zum Daily Standup treffen

Freitag, der 13. – ein verrückter Freitag. Plötzlich finden sich die Führungskräfte in einem klassischen Scrum Meeting wieder. Rollentausch! Die gemeinsame Planung des Arbeitstages ist angesagt. Und die Verwirrung groß.

„Also ich weiß jetzt gar nicht, was das eigentlich hier soll …“ Andreas blickt in die verständnislosen, teils misstrauischen Gesichter der anderen Führungskräfte. Hier stehen die Leitungen unterschiedlicher Abteilungen um einen Tresen – in einem Daily. Mit dabei ein Scrum Master mit seinen Fragen: „Was habt ihr gestern in Richtung Sprintziel erreicht? Was habt ihr heute vor? Wer braucht von wem Unterstützung?“ ‚So eine Zeitverschwendung’, schießt es Andreas durch den Kopf. ,Was will der von uns?’

Was gehen die anderen meine Probleme an?

Andreas hat vor der Markteinführung des neuen Produkts weitaus Wichtigeres zu tun. Schließlich ist er in diesem Unternehmen groß geworden – hat sich hochgearbeitet bis zu seinem Posten als Abteilungsleiter. Einem Posten im Unternehmen, auf dem er alleine die Entscheidungen trifft. Er fühlt sich wohl damit, so unabhängig zu sein.

Umso weniger Verständnis hat er nun für dieses Meeting. Wieso steht er mit den anderen Abteilungsleitern zusammen und soll auch noch benennen, wo er Hilfe braucht? Wieso eine gemeinsame Tagesplanung? Was hat er mit den anderen Abteilungen zu tun? Er will eigentlich nicht, dass bekannt wird, in welchen Schwierigkeiten das Produkt noch steckt. Eine ellenlange Bug-Liste bereitet ihm schlaflose Nächte.

Als er an der Reihe ist, zu berichten, fängt Andreas seufzend an, den anderen Abteilungsleitern zu erzählen, welche Erfolge er in der letzten Zeit erzielt hat… und wird prompt vom Scrum Master unterbrochen: „Danke, Andreas, aber kannst du bitte deinem Team erzählen, wie diese Erfolge auf das Sprintziel einzahlen?“ Die Führungskräfte blicken zum Scrum Master: Ratlosigkeit.

Agilität als Lippenbekenntnis

„Nun, ihr habt euch doch Ziele gesetzt, um fokussiert zu arbeiten, oder? Ist die Markteinführung des neuen Produktes nicht DER wichtigste Schritt, um in den neuen Markt hineinzukommen? Also das Wichtigste für das Unternehmen in den nächsten zwei Wochen? Was hat das, was du eben erzählt hast, damit zu tun? Schau dich einmal in der Runde um: Gibt es wirklich nichts, wobei dir die deine Kolleginnen und Kollegen, die hier stehen, helfen könnten? Ich kann mir das nicht vorstellen.“

Dieser verrückte Freitag ist weit weg vom Unternehmensalltag, wie ich ihn häufig erlebe. Agilität in Unternehmen wird gern gesehen, agile Entwicklungs-Teams werden eingesetzt, um lösungsorientiert bessere Ergebnisse zu erzielen. In den Führungsetagen existiert dieses Team-Verständnis allerdings oft nur als Lippenbekenntnis – und es gibt niemanden, der sich um eine wirklich funktionierende Zusammenarbeit kümmert. Bestenfalls treffen Sie eine frustrierte agile Begleitung an, die von den Führungskräften häufig als Störenfried betrachtet und möglichst ignoriert wird.

Setzen Sie aufs Miteinander!

Ich selbst war ebenfalls einmal Abteilungsleiterin und stand mit dem Entwicklungsleiter in permanentem Austausch. Unser gemeinsames Ziel: Die neuen Software-Versionen perfekt getestet und zum angekündigten Zeitpunkt bei den Kunden zu installieren. Die Synchronisation von Entwicklung und Test musste sehr dynamisch erfolgen (was heute ja in crossfunktionalen Teams von den Teammitgliedern selbst organisiert wird). Da wurden dann schon mal Entwickler oder Produktmanager gebeten, mit zu testen. Oder Tester, im Pairing mit Entwicklern Fehler zu beheben. Es ging nicht darum, vor dem Chef gut dazustehen, und „die eigene Hütte sauber zu halten“, sondern darum, super Software auszuliefern. Gemeinsam. Für die Kunden.

Ein verrückter Freitag …

Was würde wohl in Ihrem Unternehmen passieren, wenn Führungskräfte um Unterstützung bäten, bevor die Schwierigkeiten in den Zahlen sichtbar werden? In vielen Unternehmen wäre es „verrückt“ von einer Führungskraft, das zu tun. Viel zu groß die Gefahr, dass die anderen Führungskräfte sich ins Fäustchen lachen, weil sie ihren Job nicht im Griff hat. Viel zu groß die Gefahr, als Versager dazustehen, ihre hart erarbeitete Position im Unternehmen zu gefährden.

Andreas hat dieser verrückte Freitag ins Nachdenken gebracht: Würden wir die Markteinführung nicht vielleicht wirklich besser hinkriegen, wenn wir alle öfter einmal aus unseren Silos herauskommen und uns gegenseitig unterstützen würden? Wenn wir in solchen Runden wie diesem Daily offen unsere jeweiligen Probleme wie meine Bug-List ansprechen könnten? Würde das, was wir wie selbstverständlich von unseren Scrum Teams erwarten, nicht auch uns Führungskräften weiterhelfen? Kämen wir alle nicht besser voran, wenn wir nicht als Einzelkämpfer, sondern wirklich als Team arbeiten würden?

Dieser verrückte Freitag hat Andreas’ Haltung ver-rückt.

Ihre Carolin Salamon

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