Morgens um zehn in Deutschland. Der Scrum Master Theo ruft zum Daily. Alle Teammitglieder und auch den Product Owner will er dabeihaben. Täglich unterbrechen die Teammitglieder ihre Arbeit und treffen mit eher genervten Mienen im Meetingraum ein. Auch der Product Owner weiß nicht so recht, was er dort soll. Alle außer dem Scrum Master empfinden diese Veranstaltung als lästiges Theater ohne Sinn und Zweck, als eine Zeremonie, die keiner außer ihm wirklich braucht.
Dabei weiß eigentlich jeder: Das Daily ist ein sehr wichtiges Ritual für jedes agile Team. Woher kommt also die Unlust, die mit der Zeit sogar in Unmut umschlägt?
Kleines Missverständnis – großer Konflikt
Versetzen Sie sich einmal kurz in Ihre Mitarbeiter und stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Team von Frühaufstehern. Schon seit Jahren, noch bevor Ihr Team ein Scrum Team wurde, setzen Sie sich jeden Morgen um 6:30 Uhr mit Ihren Kollegen bei einem frischen Kaffee zusammen und sprechen den vor Ihnen liegenden Tag durch. Was ist zu erledigen? Was wollen wir am Ende des Tages erreicht haben? Wer macht heute was? Diese Treffen sind Ihre Energiequelle für den Tag! Immer hochproduktiv und effektiv.
Dann wird das „agile Arbeiten“ ausgerufen und Scrum Master werden eingestellt. Mit dem Auftrag, Scrum einzuführen. Genau das tun sie dann auch.
Dieser hier kennt sich mit Scrum gut aus und geht mit frischem Elan dran, aus dem Team ein richtig gutes Scrum Team zu machen! Alle Rituale dem Scrum Guide entsprechend abzuhalten steht ganz oben auf seiner Liste.
Als bekennender Spätaufsteher trudelt er um kurz vor 10 Uhr ein und bittet das Team zum täglichen Meeting. Das Daily müssen alle Team-Mitglieder gemeinsam abhalten! Den anfänglichen Unmut der Team-Mitglieder schiebt er erst auf die Veränderung. Agil ist halt anders. Da muss man sich dran gewöhnen, weiß er. Immer öfter wird er aber auch mit der Aussage konfrontiert: „Diese Scrum-Methode ist ein zeitfressender Blödsinn. Dieses sinnfreie Daily reißt uns jedes Mal aus unserer produktivsten Arbeitsphase und stiehlt uns nur Zeit.“
Am Ende eskalierte der Unmut zum offenen Konflikt mit dem Scrum Master. Die angesprochene Führungskraft bestärkte den Scrum Master darin, die Scrum-Rituale beizubehalten. Der Konflikt verhärtete sich auf diese Weise weiter.
Hinterfragen Sie immer auch Ihren Auftrag an den Scrum Master
Nach vier Monaten wurde eine externe Konfliktmoderation zu Rate gezogen. Das Erschütternde an dieser Geschichte ist: Auch nachdem klar wurde, warum sich das Team dem Daily verweigert, gab der Scrum Master nicht nach: Es müssen doch ALLE Team-Mitglieder daran teilnehmen. Und mit ihm war das ab 10 Uhr der Fall.
Was bedeutet das für Sie? Was können Sie als Führungskraft daraus lernen?
Fragen Sie sich, welches Problem der Scrum Master für Sie lösen soll. Ziel kann nicht die unhinterfragte Einführung von Scrum-sein.
Ziel muss ein Team sein, das sich selbst organisiert, zueinander steht und möglichst wertschöpfend arbeiten will. Und sich dafür sogar gegen ein Team-Mitglied wehrt, dass sie daran hindert.
Fragen Sie sich, ob Ihr Auftrag an Ihren Scrum Master das gewünschte Verhalten des Teams wahrscheinlicher macht! Stellen Sie sicher, dass Ihr Scrum Master einen entsprechenden Auftrag von Ihnen hat und dass er zu Ihrem Auftrag passt.
Ihre Carolin Salamon