Agilität

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Wie Sie Ihre guten Mitarbeiter der Agilität opfern – oder auch nicht.

Unternehmen haben unterschiedliche Gründe, warum sie Agilität einführen. So erhoffen sie sich unter anderem, dass sie auf diese Weise leichter neue Mitarbeiter finden. Was ihnen nicht bewusst ist, dass sie damit auch gute Mitarbeiter verlieren können.

Agilität für die Beschleunigung

Karsten zum Beispiel ist eine erfahrene, engagierte Führungskraft, die im Unternehmen sehr gut vernetzt ist und die Zusammenhänge des Unternehmens versteht. Sein Herz schlägt für das Produkt, an dem er mit seinem Team arbeitet.

Eines schönen Tages teilt ihm sein Chef mit, dass die Unternehmensführung beschlossen hat, agile Teams einzuführen, um die Produktentwicklung zu beschleunigen. Und weil das Unternehmen in dieser Transformation alles richtig machen möchte, bekommt Karsten die Aufgabe, aus seinem Team sowohl einen Scrum Master als auch einen Product Owner zu bestellen. Der eine übernimmt per definitionem die soziale Führung des Teams, der andere die fachliche.

Karsten steht damit unter zwei ganz großen Dilemmata, einem grundsätzlichen und einen persönlichen.

Ein zahnloser Tiger

In der klassischen Linienorganisation trägt die Führungskraft die Gesamtverantwortung für ihre Mitarbeiter und deckt damit alle vier Komponenten der Führung ab: die disziplinarische, die strategische, die soziale und die fachliche.

Soll diese Führungskraft nun ihr Team auf „agil“ umstellen – was oft unreflektiert mit Scrum gleichgesetzt wird –, gibt sie zwei dieser vier Komponenten ab. Die Begründung ist durchaus nachvollziehbar: Damit ein Team selbst organisiert arbeiten kann, muss die soziale Führung in das Team gegeben werden und darf nicht mit hierarchischer Macht verquickt sein. Ähnliches gilt für die fachliche Führung eines Teams, denn dafür gibt es den Product Owner, und der ist den Kunden seines Produktes verpflichtet.

Karsten hat als Führungskraft also ein Problem: Er ist disziplinarisch für die Entwickler und strategisch für die Abteilung verantwortlich. Einfluss auf das, was die Teams machen, hat er durch die Umorganisation nicht mehr. Auch nicht, wie sie es tun. Er ist ein zahnloser Tiger. Aber trotzdem hat er die Verantwortung für alles.

Karsten fragt sich ganz im Ernst, wie das gehen soll. Und er fragt sich persönlich noch etwas anderes.

Karriere oder Liebe?

Karsten wäre von seinen Voraussetzungen und von seiner Neigung her der perfekte Product Owner. Aber das darf er nicht sein: Als Führungskraft hat er die hierarchische Macht. Will er weiterhin Führungskraft bleiben, darf er sein agiles Team weder sozial noch fachlich führen: Beides wirkt den Kräften der Selbstorganisation im Team entgegen.

Gibt er aber seine Position als Führungskraft zugunsten der des Product Owners ab – was sein Herz ihm sagt und was das Beste für das Produkt wäre –, bedeutet das einen unschönen Knick für seine Karriere. Schließlich gilt es als Rückschritt, eine Führungsposition aufzugeben, um „nur“ noch fachliche Verantwortung zu übernehmen.

Wundert es Sie angesichts dieser beiden Dilemmata, dass Karsten darüber nachdenkt zu wechseln?

Mein Tipp für Sie

Wenn Sie sich für die Einführung von agilen Teams entscheiden, überlegen Sie gut, was das mit Ihren Mitarbeitern macht. Gehen Sie aktiv auf sie zu und helfen Sie ihnen, Entscheidungen zu treffen. Denken Sie darüber nach, wie Sie die Rahmenbedingungen so verändern können, dass Sie Ihre guten Mitarbeiter halten können; dass sie weiterhin konstruktiv für das Unternehmen arbeiten können und Sinn in ihrer Arbeit sehen!

Echte Agilität in eine bestehende Organisation einzubetten, ist kein Selbstläufer. Dafür brauchen Sie und Ihre Mitarbeiter eine Haltung, die Sie aus der Hierarchie nicht gewohnt sind. Diese Haltung würde ich so definieren: Wir suchen und finden gemeinsam immer wieder eine angemessen gute Lösung für alle Beteiligten. Auch für den Karsten in Ihrem Unternehmen.

Ihre Carolin Salamon

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