Der Teamleiter sitzt in der Mitte. Um ihn herum seine Mitarbeiter. Und es prasselt auf ihn ein, das Feedback – ungefiltert. Niemand hat das Gefühl, dass er seiner Rolle als Führungskraft gerecht wird. Niemand moderiert das Gespräch. Der Teamleiter ist umzingelt. Von seinem eigenen Team. Seinem Rudel, dem er gerade zum Fraß vorgeworfen wird …
Feedback: „Versagt.“
Ich weiß, dass solche 360-Grad-Feedback-Gespräche für Führungskräfte in vielen Unternehmen eine gängige Praxis sind. Als cooles, modernes Mittel’, um die Mitarbeiter im hierarchischen System wertzuschätzen und den Führungskräften die Möglichkeit zu geben, ehrliches Feedback zu erhalten.
Ich weiß auch, dass solche Gespräche in den meisten Unternehmen hammerhart sind. Dass sie viele Führungskräfte immens belasten und unter psychischen Druck setzen. Ich selbst stand als Führungskraft auch schon kurz vor einem solchen Gespräch … und habe mich geweigert.
Eine Frage des Respekts und der Augenhöhe
Weil ich solche Mitarbeitergespräche menschenunwürdig finde. Weil sie nur in einem System funktionieren, in dem psychologische Sicherheit herrscht, in dem sich alle gegenseitig vertrauen. Ein Feedback-Gespräch kann nur in einem Setting funktionieren und zu produktiven Ergebnissen führen, in dem die Führungskraft nicht hilflos ausgeliefert auf der Schlachtbank sitzt. Warum ich Führungskräfte hier so in Schutz nehme? Weil keiner dafür sorgt, dass ihre psychologische Sicherheit gewahrt wird. Weil keine Augenhöhe da ist.
Gespräche für eine gute Zusammenarbeit
In meiner Rolle als Führungskraft habe ich mich häufig mit meinen Mitarbeitern bei einem Kaffee zusammengesetzt. Ich hatte ein super Verhältnis zu meinem Team. Und trotzdem unglaubliches Herzklopfen, wenn ich bei diesen sympathischen, netten Menschen nachgefragt habe, wie sie mich als Führungskraft sehen. Was sie von mir brauchen, was ich ihnen noch nicht gebe. Und auch ich habe meinen Mitarbeitern in Einzelgesprächen ehrliches Feedback gegeben. Ehrlich, respektvoll und auf Augenhöhe. Auf Basis eines Umgangs miteinander, der eben nicht hierarchisch geprägt war, der nicht für das Funktionieren einer Hierarchie, sondern für eine gute Zusammenarbeit sorgen sollte.
Es geht in Mitarbeitergesprächen nämlich nicht darum, dass Führungskräfte die Mitarbeiter beurteilen; genauso wenig darum, dass die Mitarbeiter die Führungskräfte verurteilen. Es geht darum, sich gegenseitig darüber auszutauschen, wie eine erfolgreiche, ehrliche Zusammenarbeit gelingt – die auf die Wertschöpfung des Unternehmens einzahlt. Deswegen ist mein Ansatz: Zusammenarbeitsgespräche bei einer Tasse Kaffee anstatt 360-Grad-Runden auf der Anklagebank.
Ihre Carolin Salamon