Das war ein echtes Dreamteam. Alle waren aufeinander eingegroovt und die Arbeitsabläufe waren super eingespielt. Das Ziel war klar und der Plan, wie sie die Meilensteine halten können, wurde ständig mit der Realität abgeglichen und angepasst.. Dieses Team wollte es wissen – und es wollte liefern.
Der Product Owner war super in das Team integriert und schaffte es irgendwie immer, dem Team genau den Input zu geben, den es brauchte. Der Scrum Master gab die Unterstützung, die das Team anfragte und hielt sich ansonsten raus. Es gab regelmäßige Retros, die die Teammitglieder als hilfreich und sehr „gut angelegte Zeit“ beschrieben.
Und der Kunde war bei jedem Review superglücklich und zufrieden. Die Zusammenarbeit mit ihm klappte reibungslos.
Alles war fast zu schön um wahr zu sein.
Doch dann hatte die Führungskraft Markus eine Idee …
Agile Teams sind mehr als die Summe ihrer Teammitglieder
Dieses agile Team war eingebettet in ein Unternehmen mit klassisch hierarchischer Struktur. Führungskräfte in solchen Unternehmen denken Mitarbeiter oft als Ressourcen, die ihren Skills entsprechend beliebig eingesetzt werden können. Und genau so dachte auch dieser Projektleiter.
In einem anderen Projekt war ein Mitarbeiter frei geworden und Markus sagte sich: „Mit dem verstärke ich dieses tolle Team. Die haben sich mit ihrer hervorragenden Arbeit weitere Unterstützung verdient.“ Denn, so sein Gedanke: Je mehr Ressourcen, desto besser geht ein Projekt voran. Gedacht, getan. Das Team bekam einen richtig guten Mitarbeiter zur Verstärkung.
Drei Sprints später fiel die Führungskraft Britta, die das Team leitete, nach ihrem Urlaub aus allen Wolken …(war es offensichtlich, Britta hatte nicht hingeguckt, hatte Urlaub)
Werfen Sie Ihr Team nicht in die Storming-Phase zurück!
Der Kunde war plötzlich gar nicht mehr glücklich. Gab in den Reviews negatives Feedback. Das Team hielt die Meilensteine nicht ein. Es wurde insgesamt langsamer, konnte nicht mehr liefern, was der Kunde erwartete. In dem vorher so eingespielten, von seiner eigenen Performance begeisterten Team machte sich Unzufriedenheit breit. Statt Ergebnisse zu liefern, beschäftigte es sich mit inneren Querelen.
Britta verstand die Welt nicht mehr. Was war passiert?
Indem sie den neuen Mitarbeiter ins Team setzte, wurde es in die Storming-Phase zurückkatapultiert. Der Neue musste in die Abläufe integriert werden. Was bislang funktionierte, funktionierte auf einmal nicht mehr. Viele Diskussionen wurden plötzlich neu geführt, die eingespielten Abläufe infrage gestellt und bereits getroffene Entscheidungen ignoriert. Kurz: Statt mit der Entwicklung des Produkts für den Kunden befasste das Team sich mit sich selbst.
Never change a winning team!
In den meisten hierarchisch geprägten Organisationen wird der Grad der Agilität von Entwicklungsteams auf die „Selbstführung“ oder „Selbstorganisation“ beschränkt. Das bedeutet, dass diese Teams ihre Arbeit selbst organisieren und die hierfür benötigten Prozesse selbst gestalten.
In wenigen Organisationen wird auch die Gestaltung des Teams in die Teamverantwortung gegeben. Das bedeutet, dass diese Teams auch selbst dafür sorgen müssen, dass die Teambesetzung die Aufgabenerfüllung ermöglicht.
Was jetzt querschlägt: Die Erwartungen einer Organisation, die an die Leistungsfähigkeit von selbstorganisierten Teams gestellt werden, können nur von sich selbst gestaltenden Teams erfüllt werden …
Deshalb mein Tipp: Bringen Sie ihr Team dahin, dass es sich selbst gestalten kann, aber übernehmen Sie die Verantwortung dafür
Wenn Sie Ihr selbstorganisiertes Dreamteam behalten wollen, dann beschützen Sie es vor Verbesserungsdurchgriffen von außen – auch wenn sie noch so gut gemeint sind. Selbst dann, wenn es Ihre eigenen Ideen sind. Im konkreten Fall hätte auch der Scrum Master eingreifen können oder müssen, um das Team vor der ungewollten Verstärkung zu schützen. Denn nur das Team kann entscheiden, ob es einen zusätzlichen Mitarbeiter braucht und ob er das Können hat, auch wirklich Verstärkung zu sein ..
Das Motto, das Sie beherzigen sollten, ist ebenso alt wie richtig: „Never change a winning team!“ Sonst erreichen Sie das Gegenteil dessen, was Sie beabsichtigen. So wie der Projektleiter in meinem Beispiel.
Ihre Carolin Salamon